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Fit für Familie
„Vater werden ist nicht schwer – Vater sein hingegen sehr!“
Dieses Sprichwort trifft auch für junge Inhaftierte zu. Zu den neuen Herausforderungen, mit denen sich alle frischen Eltern konfrontiert sehen, kommen die Umstände der Haft hinzu. Da bis auf Urlaube oder Besuche kein unmittelbarer Kontakt zu den Kindern bestehen kann, ist es besonders wichtig, die jungen Väter auf das Leben in der eigenen kleinen Familie nach der Haft gut vorzubereiten. Das ist umso mehr der Fall, als dass die jungen Inhaftierten oftmals selber in problematischen Verhältnissen großgeworden sind.Diese Prägung resultiert häufig in ungünstigen Vorstellungen über das Familienleben und die Vaterrolle.
Aus diesem Grund wurde 2014 in der JA Hameln die Maßnahme „Fit für Familie“ ins Leben gerufen. Im Offenen Vollzug wurde das Konzept abgewandelt und wird seit 2018 angeboten.
„Fit für Familie“ ist nicht als „Therapie“ konzipiert. Junge Inhaftierte weisen weitgehend übereinstimmend die Erfahrung auf, in der Gesellschaft, der Schule, im Arbeitsleben oder gegenüber den Eltern versagt zu haben. Verhaltensändernde Maßnahmen im Vollzug dienen der Reflexion desjenigen Verhaltens, das die Haft zur Folge hatte. Schulische und berufsbildende Maßnahmen weisen meist – zumindest indirekt - auf zuvor verpasste Chancen hin. Vater zu werden ist im Gegensatz dazu nichts, was Inhaftierte „falsch“ gemacht hätten. Zwar stellen (insbesondere unerwarteter) Nachwuchs und die damit verbundenen Pflichten eine immense Herausforderung dar, das aber gilt für alle jungen Männer, ob nun inhaftiert oder nicht.
Im Gegensatz zu oben genannten „Versagenserfahrungen“ sehen junge Väter im Offenen Vollzug ihre eigene, neue Familie oft als den Teil ihres Lebens an, der „in Ordnung“ ist. Sie haben in der Regel den Wunsch, für ihre Kinder da zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Sie darin zu unterstützen und gleichzeitig bestmöglich vorzubereiten ist die Kernaufgabe des Kurses.
Bei „Fit für Familie“ können sich die jungen Väter grundlegende Kompetenzen im Umgang mit Babys und Kleinkindern aneignen (wie etwa das Wickeln, Umziehen und Tragen von Babys, geübt an Puppen), über Erziehungsziele und –stile sowie die eigenen Vorstellungen über die Vaterrolle reflektieren und sich über rechtliche Belange wie Elterngeld, Sorgerecht etc. erkundigen.
Um den Inhaftierten das bestmögliche Angebot zukommen zu lassen, wird ein Großteil des Kurses von externen Dozenten geleitet. Wir freuen uns dabei über die Unterstützung der „Fachkräfte Frühe Hilfen“ des Landkreises Göttingen, der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ aus Hannover, der Evangelischen Familien-Bildungsstätte in Göttingen und des Jugendamts Landkreis Göttingen.